Antriebstechnik

Maßgeschneiderte Positionierlösung für Analysemethoden an einer Beamline:
Mechanik an der Grenze des technisch Machbaren

Mit Radiografie- und Tomografieverfahren lassen sich heute immer feinere Strukturen im Inneren von Objekten erkennen. Für Ortsauflösungen im Bereich um 100 Nanometer stehen mittlerweile brechende Röntgenoptiken zur Verfügung. Auf dem Weg zur dreidimensionalen Darstellung mit Volumenauflösung in diesem Bereich gibt es jedoch etliche Herausforderungen zu meistern. Die für die Justierung der Optiken und Probe im Röntgenstrahl und den gesamten Experimentieraufbau notwendige sehr hohe mechanische Genauigkeit und Stabilität zu erreichen, ist keineswegs trivial. Schon kleinste Temperaturänderungen oder Vibrationen würden die angestrebte Auflösung mindern. Eine Verbesserung der Röntgenoptiken muss daher immer Hand in Hand gehen mit der mechanischen Perfektionierung des gesamten Aufbaus. Arbeiten Spezialisten eng zusammen, lassen sich dann beachtliche Fortschritte erzielen, wie das im Folgenden beschriebene Beispiel zeigt.
Am Speicherring PETRA III am DESY in Hamburg betreibt das Helmholtz-Zentrum Geesthacht die Imaging Beamline P05 mit zwei experimentellen Stationen, eine für Mikrotomografie, eine für Nanotomografie. Gezeigt ist hier der experimentelle Aufbau der Nanotomographie. Bild: PI / HZG
Am Speicherring PETRA III am DESY in Hamburg betreibt das Helmholtz-Zentrum Geesthacht die Imaging Beamline P05 mit zwei experimentellen Stationen, eine für Mikrotomografie, eine für Nanotomografie. Gezeigt ist hier der experimentelle Aufbau der Nanotomographie.

Am Speicherring PETRA III am DESY (Deutsches Elektronen Synchrotron) in Hamburg betreibt das Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) die Imaging Beamline P05 mit zwei experimentellen Stationen, eine für Nanotomografie und eine weitere für Mikrotomografie. Der Name bezeichnet dabei jeweils die erreichbare (Orts-)Auflösung. Die Röntgenoptiken für dreidimensionale Aufnahmen mit Auflösungen um 100 nm bestehen aus bis zu vielen hundert brechenden Einzellinsen und wurden am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT in Karlsruhe entwickelt. Hinzu kommt noch eine Mikroskopieoptik für sichtbares Licht, mit deren Hilfe die röntgenoptischen Abbildungen weiter vergrößert und auf eine Kamera abgebildet werden.

Die Instrumentierung muss hohe Standards erfüllen

Es sind verschiedene röntgenoptische Konfigurationen möglich: Hier eine abbildende Anordnung, für die die Probe vor der Optik positioniert wird. Bild: PI / HZG
Es sind verschiedene röntgenoptische Konfigurationen möglich: Hier eine abbildende Anordnung, für die die Probe vor der Optik positioniert wird.

Um möglichst viele unterschiedliche Experimente durchführen zu können, bietet das HZG zwei verschiedene röntgenoptische Konfigurationen an: Eine abbildende Anordnung, für die die Probe vor der Objektiv-Optik positioniert wird, und eine Kegelstrahlanordnung, bei der die Probe im divergierenden Strahl hinter der Optik platziert wird. In beiden Fällen kommt es auf eine hohe mechanische Stabilität und exakte Positionierung an, um Aufnahmen von hoher Qualität zu erhalten. Daher musste die Instrumentierung für die Experimente an der P05-Beamline sehr hohe Standards erfüllen.

Dank intensiver Zusammenarbeit der Auftraggeber mit den Ingenieuren und Entwicklern der Firma Physik Instrumente (PI) ließ sich die komplexe Aufgabenstellung jedoch praxisgerecht lösen. Schließlich hat das Unternehmen im Bereich „Beamline Instrumentation“ gerade in diesem Anwendungsgebiet wertvolles Know-how und langjährige Erfahrung. Ziel des Spezialistenteams, das von PI miCos koordiniert wird, ist es, individuelle, anwendungsgerechte Lösungen zu entwickeln, die über das Anbieten von Einzelkomponenten hinausgehen und die Systemintegration ebenso einschließen wie die vollständige Instrumentierung. An der Beamline P05 wurden diese Fähigkeiten erneut unter Beweis gestellt. Eine besondere Herausforderung war hier die Ansteuerung, die auf Basis eines Industriecontrollers realisiert wurde. Es galt knapp 50 Achsen abhängig voneinander anzusteuern, wobei auf Kollionsschutz geachtet werden musste. Das ganze System wurde schließlich in die an Beamlines übliche TANGO Oberfläche eingebunden.

Die Basis: luftgelagerte Granitplattform

Der tonnenschwere Unterbau ist luftgelagert. Auf diese Weise lässt sich die ganze Anlage mit minimalem Kraftaufwand aus dem Röntgenstrahl fahren, steht aber gleichzeitig auch stabil, sobald der Luftstrom abgeschaltet ist. Auf dem Bild zu sehen ist der Aufbau in der Parkposition aus dem Strahl. Bild: PI / HZG
Der tonnenschwere Unterbau ist luftgelagert. Auf diese Weise lässt sich die ganze Anlage mit minimalem Kraftaufwand aus dem Röntgenstrahl fahren, steht aber gleichzeitig auch stabil, sobald der Luftstrom abgeschaltet ist. Auf dem Bild zu sehen ist der Aufbau in der Parkposition aus dem Strahl.

Um den Einfluss von Vibrationen zu minimieren und die einzelnen Komponenten zu fixieren und gegeneinander zu stabilisieren, bildet eine 6,8 m lange Granitbank die Basis des Instruments. Darauf sind vier weitere gegeneinander bewegliche und von Linearmotoren angetriebene Granitplattformen auf Luftlagern angeordnet. So können alle Komponenten schnell und präzise positioniert werden: Der Probentisch, die Röntgenoptiken und der Detektor. Der tonnenschwere Unterbau selbst ist ebenfalls luftgelagert. Auf diese Weise lässt sich die ganze Anlage mit minimalem Kraftaufwand aus dem Röntgenstrahl fahren, wenn die zweite Experimentierhütte genutzt werden soll, steht aber gleichzeitig auch stabil, sobald der Luftstrom abgeschaltet ist.

Als besondere Herausforderung erwies sich die Konstruktion des Probentisches, gefordert war eine mechanische Stabilität im Bereich von unter 100 nm, um eine entsprechende Ortsauflösung zu erreichen. Dazu müssen gleich mehrere Positioniersysteme mit höchster Präzision Hand in Hand arbeiten, um sicherzustellen, dass bei rotierender Probe immer dasselbe Volumenelement untersucht wird.

Komplexe Abläufe bei der Probenpositionierung

Auf dem kombinierten Kipp- und Hubtisch (bestehend aus drei differentiell angesteuerten Hubelementen) ist ein luftgelagerter Rotationstisch platziert. Er dreht sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 36 °/s und arbeitet mit Ebenheitsabweichungen von unter 100 nm bei einer Auflösung von 0,5 µrad. Bild: PI / HZG
Auf dem kombinierten Kipp- und Hubtisch (bestehend aus drei differentiell angesteuerten Hubelementen) ist ein luftgelagerter Rotationstisch platziert. Er dreht sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 36 °/s und arbeitet mit Ebenheitsabweichungen von unter 100 nm bei einer Auflösung von 0,5 µrad.

Basis der Probenpositionierung bildet eine horizontale Positioniereinheit, die den Probentisch in den Strahl fährt. Sie hat einen Stellweg von 20 mm, ist mit 300 kg belastbar und arbeitet mit einer Wiederholgenauigkeit von 30 nm. Antriebstechnisches Herz dieser hochpräzisen Positionierung sind Schrittmotoren kombiniert mit hochauflösenden optischen Linearencodern. Entsprechend angesteuert sind so geregelte Schrittweiten von einigen Nanometern möglich. Die eingesetzten Präzisions-Kreuzrollenführungen und Kugelumlaufsspindeln tragen ebenfalls zur hohen Positioniergenauigkeit bei.

Auf dieser Verschiebeeinheit sitzen drei Hubelemente, die die Höhenjustage, die Kippkorrektur und die orthogonale Ausrichtung zum Strahl übernehmen. Die Lösung basiert auf drei identischen, symmetrisch angeordneten und positionsgeregelten Schrittmotoren, die hier mit Schneckenradgetrieben und Spindelantrieben kombiniert sind. Auf diesem Hubtisch ist ein luftgelagerter Rotationstisch platziert. Bei seiner Entwicklung gingen die Konstrukteure an die Grenzen des technisch Machbaren: Notwendig ist nämlich eine wirklich „reine“ Drehbewegung der Probe mit möglichst geringem Taumeln, Höhenschlag oder Exzentrizität. Nur dann können scharfe Aufnahmen über 360 Grad gemacht werden, die sich alle auf dasselbe Volumenelement beziehen und sich bei der Rekonstruktion des Bildes eindeutig zuordnen lassen. Der Rotationstisch, der sich mit einer Geschwindigkeit von 36 °/s dreht, arbeitet deshalb mit Ebenheitsabweichungen von unter 100 nm bei einer Auflösung von 0,5 µrad. Durch die Luftlagerung entsteht keine Reibung, die über die Zeit zu einer Verschlechterung dieser Werte führen würde.

Parallelkinematik für den Probenhalter und die Optik

In der Apertur des Rotationstisches sitzt der eigentliche Probenhalter auf der beweglichen Plattform einer sechsachsigen Parallelkinematik. Bild: PI / HZG
In der Apertur des Rotationstisches sitzt der eigentliche Probenhalter auf der beweglichen Plattform einer sechsachsigen Parallelkinematik.

In der Apertur des Rotationstisches sitzt der eigentliche Probenhalter auf der beweglichen Plattform einer sechsachsigen Parallelkinematikmaschine. Das SpaceFAB (vgl. Technikkasten) erleichtert den Forschern die Arbeit deutlich, weil die lediglich einige 10 bis 100 Mikrometer kleinen Proben samt Halter zunächst mit geringer Präzision in den Tisch eingesetzt werden können. Anschließend lassen sie sich dann automatisiert per Software-Kommando ausrichten. Für die korrekte Justage sind damit keine zusätzlichen mechanischen Komponenten notwendig. Die Proben werden mit sechs Freiheitsgraden positioniert. Wesentlich dabei sind der frei wählbare Drehpunkt (Pivotpunkt) des parallelkinematischen Systems sowie seine hohe Steifigkeit. Auch bei der Positionierung der Optik ist eine solche sechsachsige Parallelkinematikmaschine im Einsatz: Bei der Nanotomografie, die dreidimensionale Aufnahmen mit Auflösungen unter 100 nm ermöglicht, werden mit ihrer Hilfe die sogenannten Compound Refractive Lenses (CRL) präzise im Strahl justiert.

Von den Untersuchungsergebnissen, die sich heute dank dieser hochauflösenden Tomografieverfahren an der Imaging Beamline P05 erzielen lassen, können die unterschiedlichsten Bereiche profitieren, angefangen von der industrienahen Forschung bis hin zu Materialwissenschaften und der Untersuchung von Knochen in der Biologie. Die von den Spezialisten der „Beamline Instrumentation“ maßgeschneiderten Positionierlösungen, die die kleinen Proben und die optischen Komponenten hochpräzise ausrichten, tragen dazu wesentlich bei.

Positionierung mit paralleler Kinematik
Prinzipieller Aufbau eines SpaceFAB: Das Prinzip basiert auf drei Kreuztischen, die über drei Beine mit konstanter Länge und eine geeignete Gelenkkonfiguration gemeinsam eine Plattform positionieren. Bild: PI / HZG
Prinzipieller Aufbau eines SpaceFAB: Drei Kreuztische positionieren über drei Beine gemeinsam eine Plattform.

Parallelkinematische Positioniersysteme von PI bieten gegenüber seriell gestapelten Aufbauten eine Reihe von Vorteilen, wie geringere bewegte Masse, dadurch verbesserte Dynamik, geringeren Platzbedarf bei höherer Steifigkeit. Dabei lässt sich für Bewegungen in sechs Freiheitsgraden bei sogenannten Hexapoden die „Beinlänge“ verändern oder – bei den im Text genannten SpaceFABs – bei konstanter Beinlänge der Winkel variieren. Das SpaceFAB-Prinzip basiert auf drei Kreuztischen, die über drei Beine mit konstanter Länge und eine geeignete Gelenkkonfiguration gemeinsam eine Plattform positionieren. Es bietet sich vor allem dann an, wenn in X- und Y-Richtung größere Wege zurückzulegen sind oder eine flache Bauform erforderlich ist.

Über das HZG
Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung GmbH – gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, betreut mit der Entwicklung und dem Betrieb deutscher und internationaler Großforschungseinrichtungen. Das interdisziplinäre Forschungszentrum wurde 1956 gegründet. Bis Ende Oktober 2010 firmierte es unter GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Helmholtz-Zentrum Geesthacht sind in den Forschungsbereichen der Helmholtz-Gemeinschaft in unterschiedlichen Programmen organisiert, eines davon ist die Werkstoffforschung. Mit Synchrotronstrahlung und Neutronen gelingt es den Wissenschaftlern, Materialien, Werkstoffe und biologische Systeme zerstörungsfrei zu durchleuchten und in hoher Qualität dreidimensional darzustellen. Dazu betreibt das Helmholtz-Zentrum Geesthacht Versuchseinrichtungen sowohl bei DESY in Hamburg am Speicherring PETRA III, als auch am Forschungsreaktor FRM-II in Garching bei München.

Über PI
In den letzten vier Jahrzehnten hat sich Physik Instrumente (PI) mit Stammsitz in Karlsruhe zum führenden Hersteller von Positioniersystemen mit Genauigkeiten im Nanometerbereich entwickelt. Das privat geführte Unternehmen ist mit vier Sitzen in Deutschland und zehn ausländischen Vertriebs- und Serviceniederlassungen international vertreten. Über 700 hochqualifizierte Mitarbeiter rund um die Welt versetzen die PI Gruppe in die Lage, fast jede Anforderung aus dem Bereich innovativer Präzisions-Positioniertechnik zu erfüllen. Alle Schlüsseltechnologien werden im eigenen Haus entwickelt. Dadurch kann jede Phase vom Design bis hin zur Auslieferung kontrolliert werden: die Präzisionsmechanik und Elektronik ebenso wie die Positionssensorik. Die dafür benötigten piezokeramischen Elemente werden bei der Tochterfirma PI Ceramic in Lederhose gefertigt, einem der weltweit führenden Unternehmen auf dem Gebiet aktorischer und sensorischer Piezoprodukte. Die PI miCos GmbH in Eschbach bei Freiburg ist spezialisiert auf flexible Positioniersysteme für Ultrahochvakuum-Anwendungen sowie parallelkinematische Positioniersysteme mit sechs Freiheitsgraden und Sonderanfertigungen.

Alle Bilder: PI / HZG

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Ellen-Christine Reiff

Studium der deutschen Philologie, danach tätig bei Theater und Fernsehen, seit 1986 freie Journalistin beim Redaktionsbüro Stutensee mit Schwerpunkt Optoelektronik, elektrische Antriebstechnik, Elektronik und Messtechnik.

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